„Dies ist der Begleittext zur Meditation über Vertrauen. Bitte nimm dir zunächst Zeit, diesen Hintergrund aufmerksam zu lesen und zu verinnerlichen. Die eigentliche Meditationsanleitung findest du am Ende des Textes.“
Vertrauen ist die Narbe im Rad unseres Seins. Wird es früh verletzt, gerät das Leben aus dem Gleichgewicht. Das Vertrauen in uns selbst, in andere Menschen, in das Leben und sogar in unsere Sterblichkeit prägt unser Dasein zutiefst. In der indischen Philosophie wird Moksha, das Erwachen oder die Befreiung, als Ausdruck eines absoluten Vertrauens verstanden – die westliche Psychologie spricht in diesem Zusammenhang vom Urvertrauen: dem ozeanischen Gefühl bedingungsloser Geborgenheit.
Vertrauen bezeichnet eine mit positiver Zukunftserwartung verbundene Vorleistung. Es impliziert Verletzbarkeit und das Eingehen persönlicher Risiken. Vertrauen bezieht sich stets auf Situationen, die nicht vollständig kontrollierbar sind – und damit letztlich auf das Leben selbst. Sein Gegenspieler ist nicht nur die Angst, sondern auch ein unreflektiertes Wissen, das sich weigert, Unsicherheit zuzulassen.
Die Psychologie versteht unter Urvertrauen eine stabile soziale Haltung, die in den ersten Lebensmonaten durch Bindungserfahrungen geprägt wird. Diese frühe Erfahrung beeinflusst maßgeblich unsere spätere Fähigkeit, mutig auf Beziehungen einzugehen oder vorsichtig und ängstlich zu reagieren.
Im Yoga wird Vertrauen mit dem Sanskrit-Begriff ‘Shraddhā’ umschrieben. Patanjali spricht im Yoga Sutra davon, dass Yoga auf Erfahrung beruht. Es geht nicht darum, blind zu glauben, sondern darum, sich über eigene Erfahrungen Schritt für Schritt in die Praxis hineinzuentwickeln. So wird Vertrauen in die eigene innere Führung und Unterscheidungsfähigkeit gestärkt – im Gegensatz zu religiösen Wegen, die oft Gehorsam verlangen.
Die Biosynthese unterscheidet zwischen gesunden und pathologischen Vertrauensmustern. Pathologisch sind z. B. Misstrauen gegenüber dem eigenen gesunden Selbst, ein Vertrauen in das falsche Selbst (angepasstes Verhalten), oder ein Misstrauen gegenüber der Authentizität anderer. Gesundes Vertrauen hingegen ermöglicht echte Beziehung, fördert Verbundenheit und entsteht aus gelebter Selbsterkenntnis.
Vertrauen entsteht nicht allein durch Reflexion, sondern durch Integration: Körper, Geist und Emotionen wirken zusammen. Über den Körper erfahren wir, wie es sich anfühlt, gehalten zu sein. Eine verkörperte Erfahrung von Sicherheit ist Voraussetzung, um Vertrauen nachhaltig zu entwickeln – auch im zwischenmenschlichen Kontakt.
Im Yoga bezeichnet Ishvara Pranidhana die Hingabe an etwas Größeres – das Leben selbst, das Ganze, den Kosmos. Es ist keine naive Unterwerfung, sondern ein tiefer Prozess, der aus Erfahrung erwächst. Dieses Vertrauen gründet nicht im Verstand, sondern im Herzen. Es ist keine Schwäche, sondern Ausdruck von Verbundenheit, Reife und innerer Klarheit.
Dauer: ca. 15 Minuten
Finde einen Ort der Ruhe.
Einen Ort, an dem dein Körper nicht mehr reagieren muss.
Nicht mehr halten. Nicht mehr kämpfen.
Spüre, dass du da bist.
Mehr braucht es nicht.
Der Atem geschieht.
Nicht, weil du ihn machst.
Sondern weil Leben geschieht.
Auch das ist schon ein erster Hinweis:
Du musst nicht alles wissen.
Nicht alles kontrollieren.
Etwas in dir weiß:
Du wirst geatmet.
Wenn du möchtest,
kannst du deinen Atem jetzt bewusst begleiten.
Ohne ihn zu zwingen.
Nur da sein.
Bezeugen.
Einatmen –
Still werden.
Ausatmen –
Loslassen.
„Was in dir ruht bereits… auch ohne dein Zutun?“
Vielleicht fragst du dich:
Wem vertraue ich eigentlich?
Der Welt?
Dem Leben?
Mir selbst?
Oder:
Traue ich mir zu, nicht zu wissen,
wie es weitergeht –
und trotzdem weiterzugehen?
Vertrauen ist ein Vorschuss.
Ein Schritt ins Unbekannte.
Ein Ja,
auch wenn die Antwort noch aussteht.
Es geschieht dort,
wo wir aufhören, Sicherheit festzuhalten.
„Vertrauen ist keine Sicherheit. Es ist ein Vorschuss.“
Und beginnen, uns in das einzulassen,
was wir nicht ganz verstehen.
„Es ist ein inneres Ja, auch wenn die Antwort noch fehlt.“
Und es ist eine Entscheidung,
die du nicht im Kopf triffst –
sondern in der Tiefe deines Wesens.
Denkpause – und dann:
Was in deinem Leben wurde schon einmal gut… obwohl du es nicht kontrollieren konntest?
Wenn du möchtest,
frage dich still:
Was in mir sehnt sich danach, zu vertrauen?
Was hält mich zurück?
Bin ich bereit, nicht alles zu verstehen – und trotzdem Ja zu sagen?
„Was in deinem Leben wurde schon einmal gut… obwohl du es nicht kontrollieren konntest?“
Patanjali schreibt im Yoga Sutra:
„Shraddha“ – Vertrauen –
ist eine der inneren Qualitäten auf dem Weg zur Erkenntnis.
Nicht blinder Glaube.
Sondern ein inneres Wissen,
dass Erfahrung mich führt.
Dass ich mitgehen darf,
auch wenn der Ausgang offen ist.
Die Zeit ist nicht dein Feind.
Sie ist dein Begleiter.
Wenn du ihr vertraust,
öffnet sie Räume.
Nicht alle auf einmal.
Aber einen nach dem anderen.
„Bin ich bereit, nicht alles zu verstehen – und trotzdem weiterzugehen?“
„Kann ich der Bewegung des Lebens vertrauen, auch wenn ich sie nicht kontrolliere?“
„Wem in mir vertraue ich – und wem misstraue ich noch?“
Spüre jetzt deinen Atem.
Spüre deinen Körper.
Spüre diesen Moment –
wie ein stilles Einverständnis.
Du bist hier.
Und das genügt.
„Ich vertraue dem Prozess.“
„Ich erlaube mir nicht zu wissen – und trotzdem weiterzugehen.“
Vertraue nicht dem Gedanken,
dass du erst besser werden musst.
Oder reifer. Oder weiser.
Vertraue dem,
was du jetzt bist.
Ein Mensch im Übergang.
Mit offenen Fragen.
Und einem Herzen, das bereit ist.
Atme.
Verweile.
Lass dich sein.
„Vielleicht begleitet dich eine Frage, vielleicht eine neue Form der Stille.“
Wenn du langsam zurückkehrst,
nimm diesen Satz mit – oder sprich ihn innerlich nach:
Ich bin Teil von etwas Größerem, das mich trägt.
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