Grenzen-setzen

Teil 2

Grenzen im Alltag und im Miteinander

Im Alltag begegnen uns Grenzen auf vielfältige Weise – in Beziehungen, im Beruf, in der Familie, in unserer eigenen inneren Haltung. Sie zeigen uns, wo wir Halt brauchen, wo wir uns schützen müssen, und wo wir offen sein können. Oft spüren wir sie zuerst als Unbehagen, als „wo es zwickt“ – Hinweise, die uns den Ist-Zustand unseres Lebens bewusst machen.

In dieser Einheit widmen wir uns dem Erleben von Grenzen im Miteinander. Partner- oder Gruppenübungen eröffnen Möglichkeiten, Nähe und Distanz zu erfahren, Vertrauen zu spüren und Mitgefühl zu üben. Wir erkennen, wie Bindungen in Gruppen entstehen, wie sie unser Verhalten beeinflussen, und wie ein achtsamer Umgang mit anderen unsere eigenen Grenzen flexibler und zugleich stabiler macht.

Durch bewusstes Beobachten und Ausprobieren lernen wir, Balance zu finden zwischen Abgrenzung und Verbindung. Wir spüren: Grenzen zu wahren bedeutet nicht Rückzug, sondern schafft Klarheit, Orientierung und Selbstschutz. Gleichzeitig öffnet es Raum für Mitgefühl und gelebte Verbundenheit.

Das Ziel dieser Einheit ist es, Grenzen in Beziehungen bewusst zu erleben: den Schutz der eigenen Bedürfnisse zu wahren, sich zugleich empathisch auf andere einzulassen, und die feine Linie zwischen Selbstabgrenzung und Offenheit zu erkennen. Die Praxis lehrt, dass Vertrauen und Mitgefühl keine Schwäche, sondern eine Erweiterung der inneren Stärke sind.

 

Meditation – Grenzen im Miteinander erleben

25 – 30 Minuten

Ankommen (3–4 Min.)

Finde einen bequemen Sitz.
Schließe sanft die Augen.
Spüre den Kontakt zum Boden, die Aufrichtung deiner Wirbelsäule, die Weite deines Atemraums.

Atme tief ein … und lange aus.
Mit jedem Ausatmen lass die Anspannung des Tages mehr los.
Spüre, wie du ganz hier ankommst – im Raum, im Moment, bei dir selbst.

1. Wahrnehmen des Ist-Zustands (4–5 Min.)

Lenke nun deine Aufmerksamkeit nach innen.
Frage dich: „Wo spüre ich heute Grenzen in mir?“
Vielleicht ist da eine Spannung, ein Druck, ein Gedanke, der dich beschäftigt.
Lass es zu, ohne zu bewerten.
Es sind Hinweise deines Körpers, deiner Gefühle, deines Geistes.
Wie im Alltag – dieses „wo es zwickt“ – darfst du es einfach bemerken und anerkennen.

2. Begegnung mit dem Anderen (6–7 Min.)

Nun stelle dir einen Menschen vor, mit dem du heute oder in letzter Zeit in Kontakt warst.
Erlaube dir, diese Begegnung innerlich nachzuspüren.
Wo war Nähe? Wo war Distanz?
Gab es Vertrauen – oder vielleicht auch Zurückhaltung?

Atme ein … und fühle dich in die Verbindung hinein.
Atme aus … und spüre zugleich deine eigene Grenze, deinen Schutz.

Wechsle den Fokus: Stell dir nun eine Gruppe vor, vielleicht die Yogagruppe, vielleicht deine Familie oder dein Arbeitsumfeld.
Spüre die feinen Bindungen, die dort entstehen – bewusst oder unbewusst.
Jede Verbindung ist wie ein Faden – manche weich, manche stärker, manche dehnbar.

3. Herz-Bindhu als Zentrum (6–7 Min.)

Lege – wenn es angenehm ist – eine Hand auf deinen Herzraum.
Spüre die Wärme, den Rhythmus des Atems.
Hier im Herzen erlebst du die Balance zwischen Schutz und Offenheit.

Mit jedem Einatmen fühle, wie sich der Herzraum weitet, wie eine sanfte Öffnung.
Mit jedem Ausatmen spüre, wie Klarheit entsteht, eine Grenze, die dir Orientierung gibt.

Sag innerlich:
„Ich darf offen sein – und ich darf mich schützen.“
„Ich darf fühlen – und ich darf Nein sagen.“

Das Herz kennt die Mitte, kennt die Balance.

4. Das Netz der Beziehungen (4–5 Min.)

Stell dir vor, dass von deinem Herzen feine Lichtfäden ausgehen – zu den Menschen in deinem Leben.
Manche sind nah, manche weiter entfernt.
Dieses Netz trägt dich – und zugleich bist du frei, seine Struktur zu verändern.

Spüre, dass du die Fäden dehnen kannst, lockern, enger ziehen oder auch lösen.
Orientierung entsteht nicht durch starre Mauern, sondern durch lebendige Verbindungen.

5. Integration & Abschluss (3–4 Min.)

Kehre zurück zum Atem.
Spüre dich wieder ganz im Körper.
Deine Füße, deine Hände, den Kontakt zum Boden.

Nimm wahr: Grenzen sind nicht starr, sondern lebendig.
Sie schenken dir Schutz, Orientierung und zugleich Offenheit für Mitgefühl und Vertrauen.

Atme noch einmal tief ein …
und lange aus.

Wenn du soweit bist, öffne die Augen.
Kehre mit einem klaren, leichten Gefühl zurück.