Abrenzung

Teil 3

Abgrenzung, Nein sagen und Glaubenssätze

Ein klares „Nein“ zu äußern, ist oft einer der schwierigsten, aber auch wichtigsten Schritte auf dem Weg zu innerer Freiheit. Es ist kein Ausdruck von Schwäche oder Ablehnung, sondern ein Akt der Selbstachtung. Ein Nein zeigt: Ich kenne meine Grenzen, ich nehme meine Bedürfnisse ernst, und ich erlaube mir, für mich einzustehen.

Viele Menschen merken erst in Krisensituationen, wie schwer es ihnen fällt, wirklich Nein zu sagen. Dahinter stehen oft tief verwurzelte Glaubenssätze: „Ich darf niemanden enttäuschen“, „Ich muss stark sein“, „Ich werde nur gemocht, wenn ich mich anpasse“. Solche Überzeugungen sind wie innere Muster, die unseren Alltag lenken – meist unbewusst, oft begleitet von körperlichen Spannungen oder emotionalen Reaktionen.

In dieser Einheit wollen wir lernen, diese Muster zu erkennen und zu relativieren. Durch achtsames Spüren, durch Atemübungen, kleine Reflexionen oder einfache Rollenspiele können wir erleben, dass unsere Persönlichkeitsstruktur nicht festgelegt ist, sondern formbar und lebendig. Indem wir innehalten, den Atem bewusst fließen lassen und die innere Reaktion beobachten, entsteht Raum – Raum, in dem ein neues, klares Nein möglich wird.

Die Fähigkeit, Grenzen bewusst neu zu setzen, schenkt uns Orientierung, Selbstvertrauen und innere Freiheit. Sie eröffnet die Möglichkeit, Beziehungen ehrlicher zu gestalten und das eigene Leben stimmiger zu führen. Nein sagen bedeutet damit immer auch: Ja zu sich selbst.

Belastender Glaubenssatz Unterstützender Glaubenssatz
Ich muss alles perfekt machen, sonst bin ich nicht gut genug. Ich gebe mein Bestes, aber ich muss nicht perfekt sein, um wertvoll zu sein.
Nur wenn ich mehr leiste, werde ich anerkannt. Ich bin genug, auch wenn ich nicht alles schaffe.
Ich darf keine Fehler machen. Fehler sind Lernchancen, keine Zeichen von Schwäche.
Stillstand ist Rückschritt. Pausen sind ein wichtiger Teil des Wachstumsprozesses.
Ich bin für alles verantwortlich. Ich bin nicht für alles verantwortlich, und das ist in Ordnung.
Wenn ich es nicht selbst mache, wird es nicht richtig gemacht. Ich darf Aufgaben abgeben und anderen vertrauen.
Ich muss immer alles unter Kontrolle haben. Nicht alles liegt in meiner Kontrolle, und das ist Teil des Lebens.
Ich darf keine Schwäche zeigen. Es ist menschlich, Schwäche zu zeigen. Stärke bedeutet auch, Hilfe anzunehmen.
Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich gebraucht werde. Ich bin wertvoll, unabhängig davon, was ich leiste.
Ich darf anderen keine Umstände machen. Ich darf mich um mich selbst kümmern, ohne mich schuldig zu fühlen.
Ich sollte immer stark sein. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Es ist egoistisch, an mich selbst zu denken. Ich bin genug, genau so, wie ich bin.
Ich muss immer erreichbar sein. Ich entscheide selbst, wie ich meine Zeit nutze.
Es ist keine Zeit für Pausen. Pausen sind genauso wichtig wie produktive Zeit.
Ich muss alles auf meiner To-Do-Liste schaffen, bevor ich mich ausruhen darf. Ich darf mich ausruhen, bevor ich erschöpft bin.
Andere haben immer Vorrang vor mir. Meine Gesundheit und mein Wohlbefinden haben Priorität.
Ich darf niemanden enttäuschen. Es ist okay, ‚Nein‘ zu sagen, wenn ich meine Grenzen schützen möchte.
Ich muss immer freundlich sein, egal wie ich mich fühle. Ich darf meine Bedürfnisse klar kommunizieren.
Wenn ich ‚Nein‘ sage, bin ich egoistisch. Selbstfürsorge ist ein Akt der Selbstliebe, nicht des Egoismus.
Ich sollte immer harmonisch mit anderen umgehen. Harmonie ist wünschenswert, aber ich muss mich nicht verbiegen, um sie zu erreichen.
Andere sind besser, und ich muss aufholen. Ich bin einzigartig und folge meinem eigenen Tempo.
Wenn ich nicht mithalten kann, bin ich gescheitert. Mein Wert hängt nicht davon ab, wie ich im Vergleich zu anderen abschneide.
Ich darf nicht langsamer oder schlechter sein als die anderen. Ich konzentriere mich auf meinen Fortschritt, nicht auf den der anderen.
Ich habe keine Wahl. Ich habe die Wahl, wie ich auf Herausforderungen reagiere.
Das ist halt so, ich kann daran nichts ändern. Ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann, und fokussiere mich auf das, was möglich ist.
Wenn ich nicht funktioniere, verliere ich alles. Ich bin sicher und gut aufgehoben, auch wenn nicht alles perfekt läuft.
Ich darf keine Schwäche zeigen, sonst bin ich ersetzbar. Ich bin ersetzbar in meiner Arbeit, aber niemals in meiner Einzigartigkeit.

Meditation – Grenzen neu setzen, Nein sagen lernen

Ankommen (3–4 Min.)

Finde deinen Sitz.
Schließe die Augen, richte die Wirbelsäule sanft auf, spüre den Boden unter dir.
Atme tief ein … und lange aus.
Lass mit jedem Ausatmen ein Stück Anspannung los.
Nimm dir Zeit, wirklich hier zu sein.

1. Eigene Grenzen wahrnehmen (4–5 Min.)

Lenke die Aufmerksamkeit nach innen.
Spüre deinen Körper: Wo fühlst du heute Weite, wo eher Enge?
Wo im Körper merkst du Widerstand oder Spannung?
Lass es einfach da sein.
Es sind deine Marker, deine Grenzen – sie zeigen dir Orientierung.

2. Glaubenssätze erkennen (5 Min.)

Richte nun den Blick auf deine Gedanken.
Vielleicht taucht eine vertraute innere Stimme auf:
„Ich muss …“ – „Ich darf nicht …“ – „Man erwartet von mir …“.

Beobachte nur, ohne zu kämpfen.
Jeder Glaubenssatz ist wie eine alte Spur im Sand – spürbar, aber nicht unveränderlich.
Atme tief ein … und stelle dir vor, wie der Wind diese Spur langsam glättet.
Es bleibt ein freier, offener Raum.

3. Das „Nein“ spüren (6–7 Min.)

Lege eine Hand auf dein Herz.
Atme in den Herzraum hinein.

Sag innerlich, sanft, klar, fast wie ein Mantra:
„Nein.“

Spüre, wie dieses Nein nicht hart oder abweisend ist, sondern klar, ruhig und beschützend.
Mit jedem „Nein“ sagst du gleichzeitig „Ja“ zu dir selbst.
Spüre, wie dein Atem freier wird, wie dein Herz leichter wird.

Wenn du möchtest, wiederhole leise:
„Ich darf Nein sagen.“
„Ich darf Ja zu mir sagen.“

4. Neue Freiheit einladen (5 Min.)

Nun stelle dir eine Situation vor, in der du bisher gezögert hast, Grenzen zu setzen.
Atme ruhig …
und spüre, wie du jetzt in Gedanken ein klares, ruhiges Nein aussprichst.

Wie fühlt es sich an im Körper?
Vielleicht frei, vielleicht stark, vielleicht ruhig.
Vertraue diesem Gefühl – es zeigt dir deine innere Kraft.

5. Integration & Abschluss (3–4 Min.)

Kehre zurück zum Atem.
Spüre deinen Körper, die Aufrichtung, den Kontakt zum Boden.
Atme ein … und aus.

Nimm die Klarheit deines Neins mit, verbunden mit der Weite deines Jas.
Öffne sanft die Augen, wenn du soweit bist.
Kehre zurück mit einem Gefühl von Orientierung, Selbstachtung und Freiheit.